Seit Anfang des Jahres stehen nach Wildschönau und Brandenberg auch in der Unteren Schranne 13 „First Responder“ des Roten Kreuzes rund um die Uhr im Einsatz. Sie verringern durch ihren freiwilligen Einsatz die Eintreffzeit von professionellen Hilfskräften drastisch.
Wenn in der Leitstelle Tirol ein Notruf über die Nummer 144 eingeht, muss es schnell gehen. Ab dann kommt es auf jede Minute an. Noch während des Telefonats werden die Rettungskräfte alarmiert. Maximal 15 Minuten haben sie dann Zeit, um den Einsatzort zu erreichen. „Das müssen wir laut unseren Verträgen mit dem Land Tirol auf befestigten Straßen bei 90 % der Einsätze schaffen“, erzählt Hanspeter Kurz, Leiter des Rettungsdienstes in der Bezirksstelle Kufstein beim Roten Kreuz. Das entspricht internationalen Standards. „Natürlich sind wir in Ballungsgebieten wie Kufstein oder Wörgl und dem größten Teil des Inntals meist wesentlich schneller“, betont Kurz. Aber in Gemeinden wie Thiersee, Wildschönau, Brandenberg oder auch in Teilen der Unteren Schranne kann es aufgrund der längeren Anfahrtszeiten in Ausnahmefällen auch mal länger dauern.
16,7 Minuten durchschnittliche Eintreffzeit in der Unteren Schranne
Im gesamten Bezirk Kufstein sind rund um die Uhr fünf Rettungsautos und zwei Notarztfahrzeuge einsatzbereit. Tagsüber werden sie darüber hinaus vom Notarzthubschrauber Heli 3 unterstützt, der in Langkampfen stationiert ist. Zudem seien tagsüber mehrere Krankentransportfahrzeuge im Einsatz, die im Notfall zusätzliche Rettungseinsätze übernehmen können. Trotz alledem beträgt die mittlere Einsatzzeit in der Unteren Schranne mit rund 13.000 Einwohnern in den Gemeinden Ebbs, Niederndorf, Niederndorferberg, Erl, Rettenschöss und Walchsee 16,8 Minuten. Zu lange, aus Sicht des Ebbser Rettungssanitäters Peter Kronthaler. Er initiierte daher Anfang des Jahres ein Team des Roten Kreuzes, bestehend aus aktuell 13 sogenannten „First Respondern.“ Ehrenamtliche Rettungs- und Notfallsanitäter, die allesamt in der Unteren Schranne wohnen. „Sie sind rund um die Uhr auf Stand-by und werden alle im Notfall – je nach Einsatzlage – gleichzeitig mit dem Rettungsdienst oder dem Notarzt über eine eigens dafür entwickelte Smartphone-App alarmiert“, erklärt Gruppenleiter Peter Kronthaler. „Wer Zeit hat, übernimmt dann per Knopfdruck den Einsatz und macht sich mit dem eigenen Auto und Notfalltasche samt Defibrillator auf zum Einsatzort. „Wir sehen gleichzeitig auf der App live, wo sich Rettungs- oder Notarztfahrzeug befinden und wie lange sie noch bis zum Einsatzort brauchen“, erzählt Kronthaler im Gespräch mit QUER. Gleichzeitig sei man auch über Funk verbunden, um Einsatzdetails klären zu können. Die meisten Einsätze verursachen Verletzungen mit starken Blutungen, Kreislauf- oder Atemstillstände, aber auch allergische Schocks. 330 Mal rückten die First Responder des Roten Kreuzes in der Unteren Schranne in den ersten neun Monaten des Jahres bereits aus.
Eintreffzeit mehr als halbiert
„Wir konnten damit die durchschnittliche Eintreffzeit in der Unteren Schranne auf 7,6 Minuten reduzieren“, freut sich Hanspeter Kurz. Das sind sieben Minuten, in denen professionelle Hilfe schneller da ist. Lebenswichtige Minuten, die Ende August das Leben eines Säuglings in Niederndorf gerettet haben, wie Feuerwehrmann und Rettungssanitäter Josef Haselsberger erzählt. Er war gerade dabei Arbeiten im Gerätehaus der Feuerwehr durchzuführen, als er alarmiert wurde. Einsatzcode: Säugling mit Atemstillstand. Jede Minute, in der professionelle Hilfe früher vor Ort ist, erhöht die Überlebenschance um 10 %. Blitzschnell machte er sich zum Einsatzort auf. „Als ich ankam, hatte das Baby bereits keine Kreislauffunktion mehr“, erinnert er sich an den dramatischen Einsatz. Sofort begann Josef Haselsberger mit der manuellen Reanimation. „Gefühlt war ich eine halbe Stunde allein in der Situation. Dabei standen die First Responder Peter Kronthaler und Tanja Wechselberger schon zwei Minuten nach meinem Eintreffen neben mir im Raum, um ebenfalls zu helfen“, erinnert sich der Rettungssanitäter. Während der Kollege, der ihn zum Einsatzort gefahren hat, den rund zehn Minuten später eintreffenden Notarzthubschrauber einweist, beginnt das Baby aber bereits wieder leicht zu atmen und konnte schon mit Vitalfunktionen dem Notarzt übergeben werden. „Zum Glück hat es ohne bleibende Schäden überlebt“, freuen sich Haselsberger, Kronthaler und Wechselberger. „In solchen Momenten ist man schon angespannt, gibt Josef Haselsberger zu, aber wir haben zusammengehalten und das erlernte Programm durchgezogen.“ Wie motiviert die First Responder der Unteren Schranne sind, zeigt, dass immer wieder mehrere von ihnen gleichzeitig den Einsatz übernehmen. „Da kam es schon mal vor, dass wir bei einer älteren Dame plötzlich zu fünft in der kleinen Stube standen“, lächelt Peter Kronthaler, der Anfang September bei einem Einsatz in Durchholzen sogar noch während des Telefonats der Ersthelfer mit der Leitstelle Tirol am Einsatzort war. „Da schauen die Menschen dann schon ein wenig überrascht“, freut sich der 34-Jährige. Ein kleiner Junge hatte sich beim Springen am Trampolin schwer verletzt. Kronthaler konnte den jungen Patienten beruhigen und den offenen Unterarmbruch versorgen, bis der Notarzthubschrauber an der Unfallstelle eingetroffen ist. „Wir dürfen zwar keine Schmerzmittel geben, können den Patienten bei Schmerzen aber anders lagern, damit es leichter wird. Und Ersthelfer sind immer erleichtert, wenn sie durch schnelle Hilfe entlastet werden. Ausgebildete Notfallsanitäter dürfen sogar einen Zugang legen, damit der Notarzt sofort die nötigen Medikamente verabreichen kann“, betont Kronthaler die Relevanz der Geschwindigkeit auch bei nicht lebensbedrohlichen Einsätzen.
First Responder für den Einsatz in Thiersee gesucht
Wie wichtig First Responder sind, zeigt der Samariterbund seit fast zehn Jahren in der Wildschönau. Und auch in Brandenberg hat das Rote Kreuz bereits First Responder im Einsatz. „Jetzt wollen wir das System auch in Thiersee installieren“, verrät Hanspeter Kurz. Dazu suchen wir Thierseer:innen, die bereit sind, eine Ausbildung zu machen, um sich freiwillig in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen.