Im Corona Schock drängt Österreich auf ein „Comeback“ — Rückwärts in eine „neue Normalität“. Dem Tourismus hilft das nicht.
Der Tourismus ist vorübergehend tot. Ende Mai soll es wieder los gehen. Gerade deswegen braucht es jetzt Visionen! Der immer noch sichtbare Optimismus vieler Hoteliers ist bewundernswert. Doch: In dieser Krise reicht kein Individual-Optimismus — die Ausnahmesituation und ihre Folgen sind zu groß. Diese als Chance zu sehen ist vielleicht richtig. Aber dazu braucht es mehr als ein bisschen Mut und Glück. „Krisen-Kommunikation ist Aufbruchs-Kommunikation“ sagt der Kommunikations-Stratege Prof. Christian Blümelhuber. Aber wohin: Zurück, wirklich? Der Schatten der Krise ragt für den Tourismus weit in die Zukunft. Trübe Aussichten und massive Ungewissheit: Wann darf man was? Wer wird wohin reisen? Wollen die Menschen überhaupt reisen, so lange keine Impfung gegen den Virus existiert? Alles Fragen deren Antworten erst retrospektiv entstehen. Somit bleibt eine große Black-Box: Die Zukunft ist ungewiss. Es ist klar dass Menschen sich nach Sicherheit und Normalität sehnen. Doch die Sicherheit liegt nicht in der Vergangenheit. Let it go!
Österreichs Strategie im Umgang mit der Krise hängt noch in der „Whatever it takes“ Phase. Die spontanen Versprechen der Regierung ALLES für Ihre Wirtschaft zu tun müssen erst noch eingehalten werden. Dabei erkennt man die Stärken und Schwächen der Systeme: Deutschlands Krisenmodus funktioniert, die Wirtschaft wird mit Geld versorgt. Kanzlerin Merkel avanciert zur Krisen-Könnerin. Österreichs Regierung oszilliert zwischen schönen Sprüchen und schlechter Abwicklung. Hilfe ist versprochen, aber das dauert. Österreichs offizielle Hoteliers-Vertreter kriechen schon auf allen Vieren: „Sagt uns endlich wie es weiter geht!“ Doch „kein Sterbenswörtchen.“ so Susanne Kraus-Winkler, Obfrau der Hotellerie in der Wirtschaftskammer, noch vor wenigen Tagen in den sozialen Netzen. Nun soll es aber wieder los gehen. Der Sommertourismus soll gerettet werden. Wir können also zurück. Und: Wir lassen die Deutschen rein. Ein Staatsakt der Hoffnung. Doch was dem Tourismus in Österreich Mut machten sollte wird zum Beleg fehlender Aufbruchs-Bilder. Genau diese braucht es jetzt!
Jetzt ist die Zeit der Weichenstellung
Die nächste Nach-Krisen-Phase ist bereits eingeleitet und sie lautet „Now or never!“. In der Folge der Krise formatiert sich die Welt neu. In einem rasenden Stillstand entwickelt sich ein Wettbewerb um die Zukunft. „Krisen-Kommunikation ist Aufbruchs-Kommunikation.“ Nehmen wir Professor Blümelhuber beim Wort. Es geht nach der ersten Schutz-Intervention sehr schnell um Bilder der Zukunft. Und zwar Bilder für die es sich lohnt Mühsal und Durststrecken in Kauf zu nehmen. „Wer aufbricht“ so Christian Blümelhuber, „der braucht nicht nur ein bisschen Freude am Risiko, der braucht vor allem auch die begründete Vermutung, dass sich der Weg lohnen wird.“ Im Zurück lag noch nie ein Aufbruch. Das Zurück ist symbolisch für Angst — vor Veränderung, vor Anderen, vor Zukunft. Dies erzeugt keinen Aufbruch, aber hält die Gemüter im Zaum. Was also sind die Bilder jenseits von Angst und Zurück die uns helfen den Winter der Corona-Krise zu überstehen?
Chinas Aufbruch zu neuen Dimensionen
In Mitten des kollektiven Zukunftskaters setzt China ein Zeichen. Dort hat man verstanden: Was auch immer jetzt kommt muss größer sein als das Leid der Gegenwart. Im Chinesischen Maßstab hat man mitten im April 2020 einen Spatenstich gesetzt für das größte Fussball-Stadion der Welt! 100.000 Menschen sollen in Guangzhou in eine große Blüte passen. Die Nachricht erreichte die Welt. Das Erstaunliche dabei: In keiner Zeitung weltweit gibt es Nachrichten die nicht mit Corona zu tun haben. Ausser dieser: „China baut ein gigantisches Stadion.“ Das ist Krisen-Kommunikation par Excellence. Es ist eine Aufburchs-Kommunikation. Es ist eine Ansage an die Zukunft: „Wir glauben an uns, wir sehen unsere Zukunft im Gigantouristischen.“ Daraus können wir lernen: jetzt ist die Zeit in der man Zukunft baut — real und in den Köpfen und Herzen der Menschen. UND: Kommunikation im Krisenmodus ist die „Kunst, die Zukunftslust in den Menschen zu wecken.“ Kommunikation ist alles was wir tun! Kommunikation ist Alltag und Leben. Eine Aufbruchs-Kommunikation ist ein Statement der begründeten Hoffnung — im realen Leben der Menschen.
„Wann hört das auf?“ „Es fängt doch gerade an!“
Die Bedingung der Aufbruchs-Kommunikation ist eine Vision der Zukunft. Wer nicht weiß in welcher Zukunft er leben will, kann keinen Aufbruch erzeugen. Aufbruch braucht Richtung. Antoine de Saint-Exupéry lässt grüßen. Unser „Sehnsucht nach dem offenen Meer“ kann nicht die Kopie Chinas sein. Der Gigantourismus gehört den Chinesen. Ein Wettbewerb der gigantischsten Fussball (oder Sonstwas-)Architektur kann es nicht sein. Aber was ist die Vision Tirols, Österreichs — oder gar Europas? Die ersten Reaktionen wirken eher so als würde sich unsere Zukunft erneut in Grenzziehungen und Misstrauens-Positionen erklären lassen. „Image-Reparatur“, „bleiben Sie im Land“, „Konsumieren Sie österreichisch“, … Die Vision Europas ein Rosenkrieg? Für mich liegt die Vision des österreichischen Tourismus in einem europäischen Weg. In der Idee Europas liegt eine kollektive Individualisierung. Wir leben eine Wir-Kultur in der sich die Gesellschaft und die Wirtschaft formt. Mit anderen Worten: Europa, ein Resonanzraum für gelebte Unterschiedlichkeit. Ein Raum für Resonanz-Tourismus und gelebter Gast-Wirt-Schaft.
Unsere Zukunft ist kompliziert, aber jede Mühe wert!
Europas Aufbruchserzählung ist komplizierter als jene Chinas. Das steht fest. Ein Herrscher, ein Bild. Die Errungenschaft Europas ist die Anti-Herrschaft. Europa lebt in eine Kultur der kollektiven Individualisierung. Wir leben ein progressives Wir. Persönliche Entwicklungsräume, menschliche Anliegen, private Schutzzonen — alles Europa. Die Terrorwelle vor einigen Jahren hat diese Ideen auf den Prüfstand gestellt. Die Flüchtlingswelle ebenso. Im Schatten dieser Ereignisse gab es heftige Herrschafts-Sehnsüchte: Wir – und ihr. Der nationalistische Ruck war eine Folge. Englands Antwort darauf drückt sich im Brexit aus. Und dennoch. „Von hier oben ist klar: Europa gehört zusammen.“ (Alexander Gerst, 2018 beim Orbit-Flug über Europa). Dabei ist klar, dass gerade das Trennende — das Individuelle — Europas Kit ist. Die ständig nötige Übersetzung bei gleichzeitiger Reisefreiheit, die lokalen Unterschiede in Verbindung mit einer gemeinsamen Währung. Ständig ist man gefordert sein eigenes Wahrnehmen von Welt anzupassen, obwohl man auch irgendwie zu Hause ist. Europa, Lebensgefühl eines wertvollen Miteinanders. Der Tourismus Österreichs ist ein „Door-Opener“ in die Welt dieser lebenswerten Resonanz-Erfahrungen. Verhauen wir das nicht mit Zurück-Phantasmen. ES GIBT KEIN ZURÜCK!
Vision für Europa: Resonanzraum des Menschlichen.
Jede Vision gründet sich in historischen Erfahrungen und gegenwärtigen Emotionen. Chinas Fussball Stadion zeigt das. Für Europa gilt es nun das Bild eines „Resonanzraumes des Menschlichen“ zu zeichnen. Chinas Zukunft ist gigantisch. Die Zukunft Europas liegt aber nicht im noch größer, noch brutaler. Diese finden wir im gekonnten Miteinander. Lebens- und liebenswerte Beziehungen sind die Bindekraft des Menschen. Das — zu guter Letzt — kann uns Corona vermitteln. Das gute alte Europa hat alles um gerade jetzt zum modernen Vorreiter der Zukunft zu werden. Das mutige Bild vorwärts ist ein Plädoyer für das Menschliche. Das verlangt dem heimischen Tourismus viel ab: Regionale Zusammenhalts-Strategien statt Streit in den Tourismusverbänden; Menschen radikal in den Fokus stellen — statt Buchungsplattformen; Angebot der Begegnung statt Erlebnisbefriedigung.
All diese Formen des Tourismus sind bereits angelegt. Österreich ist gut vorbereitet. Und dennoch braucht es eindeutige und starke Zeichen des Aufbruchs. Kollektive Stimmen einer anderen Zukunft. Und dafür braucht es nicht zuletzt: GELD. Glaubwürdige Innovations-Investments von Staat und Ländern in eine neue Form des Resonanz-Tourismus. Technologien, wie zum Beispiel die Block-Chain, um aus dem Bedarf der regionalen Vernetzung auch neue Wertschöpfung zu kreieren. Und: Es braucht aufwertende Zeichen für Menschen, die im Tourismus arbeiten. Resonanz beginnt beim Menschen, nicht in der Architektur.
Corona hat uns die bekannte Zukunft genommen. Jetzt gilt es sich die unbekannte Zukunft zu erschließen. Unsicherheit ist das Ergebnis. Andererseits ist durch Corona die Zukunft wieder im Alltag: Als offene Fragen und Möglichkeitsräume. Die kommenden Monate werden zur Zeit der Weichenstellung. Unsere Zukunft entsteht in unserem Kopf und unseren Herzen. Dorthin kommt sie über kollektive Bilder eines Aufbruchs und eines Glaubens an eine neue Welt. Der Fortschritt braucht Mut. Der Tourismus kann dabei zur Bastion einer lebenswerten, schönen und nachhaltigen Zukunft werden.